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28.4.2023
5 min
Elisabeth Probst, MA

Die unsichtbare Ausstellung

Mit „Odor“ lockt das Ferdinandeum mit scheinbar
leeren Räumen zu einer Reise für die Sinne.

März 2023, Ferdinandeum, Verwaltungstrakt:

Im Flur steht ein Paket, etwas größer als ein Schuhkarton. Man könnte es leicht übersehen, spätestens nach einigen Tagen aus Gewohnheit. Könnte, denn bei diesem Paket ist es anders. Seine Anwesenheit fällt auf, selbst, wenn der Karton noch außer Sichtweite ist. Unvorhersehbar drängt es sich auf und bewegt so manche*n dazu, die persönliche Wahrnehmung kundzutun:

„Was riecht hier so?“

„Entschuldigung, aber wer trägt hier so ein penetrantes Parfüm?“

„Wie kann etwas so ekelhaft riechen?!“

„Genauso riecht die Seife meiner Oma.“

„Mich erinnert das an meinen Urlaub auf Bali.“

Gerüche wirken unmittelbar, lösen Emotionen aus und rufen Erinnerungen ins Gedächtnis. Anders als bei visuellen oder haptischen Eindrücken, Geschmäckern oder Geräuschen ist es oft nur schwer möglich, sich ihnen zu entziehen oder ihre Wahrnehmung zu kontrollieren. Gleichzeitig ist der Geruchssinn ein stiller Begleiter, neben dominanteren Sinnen wie dem Sehsinn hält er sich im Hintergrund. Entsprechend dieser, in westlichen Kulturkreisen verbreiteten Hierarchie der Sinne, gestalten sich auch Museen: Es gibt viel zu sehen, oft etwas zu hören, ab und an darf man Dinge anfassen, Gerüche aber spielen kaum eine Rolle. Doch nicht im Ferdinandeum.

Riechen Sie mal

Mit „Odor – Immaterielle Skulpturen“ präsentiert die Moderne Sammlung eine Ausstellung, die sich beinahe allen visuellen Wahrnehmungen entzieht, anstatt ihrer widmet sie sich der Macht der Gerüche. Die Präsentation setzt sich aus neun Arbeiten von neun internationalen Künstler*innen zusammen, wie Florian Waldvogel, Kurator und Leiter der Modernen Sammlung, erklärt. Verteilt auf neun offenbar leere Räume konfrontieren sie die Besuchenden mit den Fähigkeiten des Geruchssinns, das Riechen bestimmt das Kunsterleben. „Obwohl es fast nichts zu sehen gibt, kann man sich der Ausstellung nicht entziehen“, beschreibt der Kurator das Projekt, das er mit Thomas Thiel, dem Direktor des Museums für Gegenwartskunst in Siegen, entwickelt hat. Wie immer stand für Waldvogel auch bei „Odor“ die Frage am Anfang, wie sich Ausstellungen zeitgemäß denken lassen. Die Antwort hält ein Kunsterlebnis bereit, das Sie so noch nicht erfahren haben.

Immaterielle Skulpturen

Bei „Odor“ duftet es nicht einfach nach Zitrone, Holz oder Benzin. Schon der Untertitel lässt erahnen, dass sich hinter den präsentierten Werken mehr verbirgt als einzelne Duftnoten. Tatsächlich fußen alle Geruchssituationen auf komplexen künstlerischen Herangehensweisen.

Die Installation „A tale of forked tongues“ von Luca Vitone etwa spielt auf ein spezifisches Kriegsereignis von 1763 an: Die britische Armee gab Decken an Native Americans aus. Tatsächlich waren die Decken mit dem Pockenvirus infiziert und entpuppten sich als biologische Waffe. Vitone erzeugt den Geruch von eigentlich geruchslosen Pockenviren. Im Raum löst dieser Duft einer unsichtbaren, zerstörerischen und tödlichen Materie ein Gefühl von drohender Gefahr aus. Waldvogel räumt dazu ein: „Sehr oft denken die Betrachter*innen, das, was man sieht, sei das Werk. Aber das ist ein Irrtum. Was hinter dem Bild steht, der Sinn, das Geistige ist das Werk.“ Bei „Odor“ könne dieser Sinn nicht wie üblich visuell, sondern nur olfaktorisch wahrgenommen werden, kunsthistorisches Hintergrundwissen sei entsprechend kaum von Nutzen. „Mit einer verstopften Nase allerdings kann man sich den Besuch sparen“, bemerkt der Kurator.

Feine Nase

Das Geruchserlebnis, das „Odor“ bietet, fällt nicht für alle gleich aus. Zwar sorgen Diffusoren mit Zeitschaltuhr für eine gleichbleibende Duft-intensität in den Ausstellungsräumen, doch auch individuelle Faktoren spielen für das Geruchsempfinden eine Rolle. So lässt sich auch die Frage danach, ob es in manchen Räumen besonders wohl oder übel riecht, nicht pauschal beantworten. Waldvogel erklärt: „Je besser die Rezeptoren einer Nase trainiert wurden, desto größer ist das ‚Duft-Wörter-Vokabular‘.“ Daneben sei die Schmerztoleranz der Gäste entscheidend, und ob man „Odor“ als „wandelnde Duftsäule“ besuche.

Insgesamt empfiehlt der Kurator, die Räume unvoreingenommen zu betreten und auf sich wirken zu lassen. Im besten Falle sensibilisiere die Ausstellung ihr Publikum für immaterielle Phänomene wie Fake News, digitale Technologien oder Viren, die schon die nahe Zukunft massiv verändern könnten. Vor allem aber betont Waldvogel: „Es gibt kein richtiges oder falsches Riechen. Jeder nimmt Geruch anders wahr“ – ganz ähnlich wie in der Einleitungsszene. 

Falls Sie sich fragen, was in der Museumsverwaltung seinen Odor verströmte: Es war Duftpapier, aus dem die Einladungen zur Ausstellungseröffnung gestaltet wurden.

Kommen und riechen Sie, heute ab 17.30 Uhr im Ferdinandeum.

Autor*in

Elisabeth Probst, MA

 
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