Heimliche Schätze #23
Ob klein und unscheinbar, nostalgisch, skurril oder rätselhaft: In unserer Reihe holen wir meist unbemerkte Objekte aus hunderten Jahren Tiroler Kunst- und Kultur zum Vorschein – und mit ihnen die Geschichten, die sie besonders machen. Hinter Schatz #23 vermutete man zunächst Gürtelbeschläge …
Seitenteile eines Kästchens mit antiken Gerechtigkeitsszenen (2. Hälfte 19. Jahrhundert, nach einem Vorbild aus der Mitte des 16. Jahrhundert), Ältere Kunstgeschichtliche Sammlung
„Downcycling oder doch eher Recycling?“, könnte man sich bei dem folgenden Objekt aus unserer Älteren Kunstgeschichtlichen Sammlung fragen. 1907 kaufte das Ferdinandeum zwei „figural dekorierte Gürtelbeschläge, Renaissance-Arbeit aus Südtirol“. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich allerdings, dass es sich hierbei ursprünglich nicht um Teile eines Gürtels handelt. Hinweis darauf gibt der Zustand der Metallblättchen: Die Löcher in der einen Metallplatte sind so grob gebohrt, dass das Material auseinander getrieben wurde und die Platte nun deutlich breiter ist, als die zweite, nicht durchbohrte Plakette. Beide wurden zudem unsachgemäß gebogen, um sie als Gürteldekoration verwenden zu können. Dadurch entstanden hinten Risse im Metall. Eine Degradierung von zwei wertvollen Stücken aus dem 16. Jahrhundert, wie man mit Hinblick auf den Stil dieser kunsthandwerklichen Arbeit meinen könnte. Ein genauerer Blick erzählt jedoch noch eine andere Geschichte:
Die zwei Stücke waren eigentlich ein einziges Teil. Vermutlich handelte es sich um die Vorderseite eines Metallkästchens, die irgendwann zerbrach und nicht mehr repariert werden konnte. Das sehr dünne Material zeigt zudem an, dass dies kein Original aus dem 16. Jahrhundert ist, sondern eine galvanoplastische Kopie. Diese Vervielfältigungstechnik wurde erst 1836 entwickelt. Die Plaketten entstanden also vermutlich nicht sehr lange, bevor sie als Gürtelschnallen umgearbeitet und schließlich als scheinbare Originale dem Museum verkauft wurden.
Somit war es vielleicht eher Recycling als Downcycling, als man das kaputte Relief noch zu einer Gürteldekoration umformte.
Die beiden Metallplatten befinden sich aktuell im Sammlungs- und Forschungszentrum in Hall.