Reproducing Rubens
Ab 11. März 2022 zeigt die Grafische Sammlung mit „Reproducing Rubens. Druckgrafik nach Rubens‘ Werken“ im Grafik-Kabinett der Niederländer im Ferdinandeum revolutionäre Druckgrafiken nach Peter Paul Rubens.
Er hatte zuvor in seiner Manier / wie damals sehr im Schwange gegangen / auf der Schraffierung gute Ordinanz / Achtung gegeben / und daß die Strich lang auf ein ander mit schöner Zierlichkeit des Grabstichels correspondirn möchten: auf Anweisung obgedachten Rubens aber / als der ihm vor allem andern der Mahlerey-Art zu folgen ermahnet / bunde er sich nicht mehr an des Grabstichels Mühsamkeit / in der Zierde / sondern beobachtet einig und allein die Sache selbst / was er zu bilden sich vorgenommen / nämlich neben der correcten Proportion in allem die Flache des Lichts oder Tags / neben der halben und ganzen Flache des Schattens und Gegen-Glanzes / worinnen er also verwunderlic erfahren gewesen / daß alles sich meisterhaft gerundet aus einander erhoben / und kräftig nach Verlangen über sich gezogen / daß es nicht bäßer mit Penseln in weiß und schwarz hätte zuwegen gebracht werden mögen. Wordurch er dann das Lob erlanget / daß er der Mahler mit den Grabstichel benamet / … worden.
Joachim von Sandrart über Lucas Vorsterman, Rubens’ bevorzugter Kupferstecher nach dessen Werken,
in der „Teutschen Academie der edlen Bau- Bild- und Mahlerey Künste“, Nürnberg 1675, I.2, S. 358, cl. 1
Walter Benjamin
Walter Benjamin stellt 1935 zum „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ fest, dass die rasant wachsenden technischen Möglichkeiten der Reproduktion einzelner Kunstwerke auch unweigerlich auf unsere Wahrnehmung aller Kunst zurückwirken und diese untergraben. Die mit seiner technischen Vervielfältigung erhöhte Sichtbarkeit und Verbreitung des solitären, möglicherweise zudem an unzugänglichem Ort bewahrten Originales lasse umgekehrt unwiederbringlich verkümmern, was Benjamin die Aura des Kunstwerkes nennt, namentlich die „einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag.“
Druckgrafik nach Rubens’ Werken
Mit der Sammlungspräsentation richten wir unseren Blick auf eine entscheidende Phase dieses Prozesses. In seinem oben zitierten Lobgesang auf die Reproduktionskünste eines Mitarbeiters Peter Paul Rubens’ statuiert der Künstler, Kunsthistoriker und Kritiker Joachim von Sandrart eine Revolution auf dem Gebiete der Druckgrafik. Diese galt bis dahin als diejenige Kunstgattung, in der das Primat des Disegno, namentlich der in der Abstraktion der Linie sich aussprechende, primäre künstlerische Entwurf, in aller wünschbaren Reinheit in Erscheinung tritt – in „des Grabstichels Mühsamkeit“, wie es bei Sandrart heißt.
Die von Rubens von seinen Kupferstechern indessen abverlangte zeichnerische Durchgestaltung der Bildgegenstände, und die darin unvermeidlich liegende Leugnung der dazu verwendeten Zeichenmittel selbst, brachte die Reproduktionsstiche nicht nur in einen unversöhnlichen Widerspruch zum klassischen Kanon, sondern auch zu den als autonome Kunstwerke aufgefassten Radierungen etwa des berühmtesten niederländischen Zeitgenossen Rubens’, Rembrandt van Rijn. Das Ziel einer möglichst getreuen Umsetzung koloristischer Werte sowie des Hell-Dunkel (Clair-obscur) der Malerei in das druckgrafische Medium reduzierte in den Augen vieler Kunstkritiker die Erzeugnisse solcher Transformation zu Artefakten von allenfalls die Kunst interpretierendem Charakter.
Dies tat dem ökonomischen Erfolg dieses von Rubens penibel orchestrierten Unterfangens durchaus keinen Abbruch. Rubens verfolgte freilich keinen sein abundantes malerisches Œuvre auch nur annähernd vollständig reproduzierenden Ausstoß seiner Werkstatt. Vielmehr verlangte es ihn danach, einzelne, zum Teil Jahrzehnte zurückliegende Bilderfindungen im Zuge ihrer druckgrafischen Reproduktion nochmals durchzudenken, ehe er sie erneut, und dieses Mal in hoher Stückzahl, in die Welt entließ.
Druckgrafik im Wandel
Die Grafische Sammlung zeigt in einer kleinen Auswahl Werke dieses epochalen Wendepunktes in der Entwicklung des Bilddruckes. Den Auftakt gibt mit einer Radierung von Rembrandt ein Meisterwerk der Linienkunst: Selbst das Rembrandtsche Dunkel wie das in Rembrandts Radierungen von unbedrucktem Papier symbolisierte Licht sind unentrinnbar von der den künstlerischen Bewegungsniederschlag bekundenden Linie her gedacht.
Den Abschluss der Sammlungspräsentation bildet eine als Mezzotinto ausgeführte Druckgrafik. Diese 1642, zwei Jahre nach Rubens’ Tod erfundene Technik begabt den Reproduktionsgrafiker dazu, endgültig das Joch der Linie abzuwerfen und sich vollständig der dichten Tonalität der malerischen Vorlage hinzugeben. Der Mezzotinto feiert die Monotonie seiner zeichnerischen Mittel und bricht damit der Überwindung des Einmaligen Bahn.