Was seid ihr?
Grotesk, düster und fremd wirken die unterlebensgroßen Figuren, die ab dem 10. November die historischen Stuben des Tiroler Volkskunstmuseums bevölkern. Ihr Schöpfer, der Künstler Markus Wörgötter, nennt sie „Affektprobanden“, Außenstehende könnten sie als Wesen, Körper, Mutationen identifizieren.
Augenschein
Die Plastiken, die Markus Wörgötter im Volkskunstmuseum zeigt, stehen auf Füßen und Beinen, mal sind es zwei, mal drei. Die Extremitäten fallen ins Auge, verleihen den Plastiken unmittelbar etwas Figürliches, Menschliches. Doch was sind das für Körper, die sie tragen? Da sind meist Rumpf, Schultern, Hals und Kopf, die Arme dagegen fehlen mitunter gänzlich, Gesichter sind nur angedeutet. Anstatt ihrer ziehen wulstige Polster, textile Beulen oder faltige Panzer die Blicke auf sich. Teils erinnern sie an Kostüme und Masken, die einem starren Körper ohne jede Mimik und Gestik Ausdruck verleihen. Nähte verlaufen wie Narben darüber und verbinden Körper und Fremdkörper zu einer grotesken Anatomie, einem verzerrten Leib.
Schöpfung
„Mich interessiert nicht Reinheit, sondern Mischung“, sagt Markus Wörgötter über seine Kunstgeschöpfe. Ganz in diesem Sinne bestehen seine Plastiken auch aus unterschiedlichen Materialien, sowohl Gips und Bronze als auch textile Stoffe kommen zum Einsatz. In seinem Wiener Atelier fertigt der Künstler beinahe alle Teile seiner Plastiken selbst von Hand. So sind bislang Dutzende „Affektprobanden“ entstanden. Der Titel, eine Wortschöpfung Wörgötters, beschreibt das Prinzip der Serie. Der Künstler begreift Plastik in Analogie zum Körper als Schauplatz von Kräften. „Plastik ist Verwandlung, ist Werden“, erläutert er.
Kontrastraum
Im Volkskunstmuseum werden die Affektprobanden in den historischen Stuben gezeigt. Inmitten von holzgetäfelter Gemütlichkeit und heimatlicher Tradition sorgen sie für Irritation. Doch eine Sache haben Stuben und Plastiken gemein: beiden wohnt eine theatrale Komponente inne. So geben die geöffneten Fenster den Blick auf die dahinterliegenden, sonst verborgenen Museumsräume frei und enttarnen die Stuben als Kulissen. Gemeinsam mit Wörgötters Mischwesen laden sie ein, die Präsentationsformen im Museum zu hinterfragen.