15.6.2020
5 min
Mag.a. Clara Maier

WhatsApp, Videos, Emoticons – und was war davor?

Was schon die ersten Techniken der Telekommunikation alles drauf hatten, gerät heute oft in Vergessenheit. Wie Telegraf, Rohrpost & Co zur Entwicklung des heutigen Smartphones beigetragen haben, erzählt Ausstellungsmacherin Claudia Sporer-Heis im Interview.

Smartphones sind in aller Hände, „Digital Natives“ schmunzeln über alte Telefone. Was beeindruckt aber an der früheren Technik der telekommunikation?

Claudia Sporer-Heis, Leiterin des Zeughauses: Was heute schon fast antik wirkt, war früher innovativ. Klar, auch wir schmunzeln heute zum Beispiel darüber, dass unsere Brieffreundschaften nach Amerika faszinierend und die Telefone zur Kindersicherung mit einem Schlüssel absperrbar waren. (lacht) Damals war das aber unheimlich toll. Indem wir diese Technik in der Sonderausstellung im Zeughaus „wiederbeleben“ und ausprobieren lassen, wollen wir zeigen, welche beeindruckende Entwicklung erst zum heutigen Smartphone geführt hat.

Wie genau wird die Technik der Telekommunikation „wiederbelebt“?

Sporer-Heis: Dazu reaktivieren wir zum Beispiel Telegrafen, Fernschreiber, Funkgeräte und Rohrpost. Wir möchten, dass die Besucherinnen und Besucher eine Postkarte schreiben und über die Rohrpost quer durch die Ausstellung zum Frankieren flitzen lassen. Oder den optischen Telegrafen im Innenhof mit Geheimcodes bedienen. Selbst so aktiv zu werden, ist in Museen nicht immer üblich. Ich bin mir sicher, das wird Groß und Klein gefallen. Außerdem sollen die Jungen auch die heutige Kommunikation zeigen. Ein eigener Raum, an dem Jugendliche mitarbeiten, dient der kritischen Auseinandersetzung mit sozialen Netzwerken.

Unterschiedliche Telefone wurden reaktiviert.
© Wolfgang Lackner
Unterschiedliche Telefone wurden reaktiviert.

Eine Ausstellung, in der unterschiedliche Generationen voneinander lernen?

Sporer-Heis: Ja genau, generationsübergreifend mit viel Action. 1961, als ich geboren wurde, gab es zwar schon das moderne Wählsystem, aber wir haben zuhause nur einen Viertelanschluss gehabt. Wenn jemand anderer in einem Gespräch war, konnte ich nicht telefonieren. Solch eine Geschichte würde ich den Kindern erzählen, während sie mir wahrscheinlich die neuesten Emoticons erklären können.

Die heutige Diskussion beleuchtet oft die gesundheitlichen Risiken von Smartphones. War das früher in der Telekommunikation auch Thema?

Sporer-Heis: Früher begeisterte der technische Fortschritt, heute wird es schlichtweg zu viel. Das bringt Probleme ans Licht. Prinzipiell muss man sagen, waren den Menschen neue technische Entwicklungen aber immer schon suspekt. Bei der Telekommunikation hängt das vor allem am elektrischen Strom, immerhin bekamen die Telefonistinnen anfangs kleine elektrische Schläge. Das war eine unsichtbare Gefahr, die natürlich Angst machte. Heute machen wir uns über die Strahlung bei 5G Gedanken, weil wir sie nicht genau einschätzen können. Wir wissen heute nicht, wie es denjenigen, die ständig mit dem Handy agieren, in zwanzig Jahren geht.

Und gesellschaftlich oder politisch gesehen?

Sporer-Heis: Die Gefahr des Abhörens war früher gar nicht so präsent, auch wenn es eigentlich immer möglich war, sich in eine Telefonleitung einzuklinken. Die sogenannten „Fräuleins vom Amt“, die Anrufe weitervermittelten, konnten ebenfalls bei den Gesprächen mithören. Heute ist die Telekommunikation aber viel näher am Menschen dran: Während früher ein einziges Telegramm noch teuer und Telefonie aus dem Ausland undenkbar war, fällt diese Schwelle heute nahezu weg. Mit dieser Verankerung in der Gesellschaft – jeder und jede kann heutzutage telekommunizieren – werden auch Datenschutz und Überwachung
viel stärker zum Thema.

Das K. k. Post- und Telegraphengebäude in Innsbruck
© TLM
Das K. k. Post- und Telegraphengebäude in Innsbruck

Unter den Ausstellungsstücken begeistert Sie der optische Telegraf besonders. Warum?

Sporer-Heis: Ich finde es faszinierend, dass man in Frankreich und Deutschland kilometerweit Linien aufgebaut hat, um Nachrichten stromlos weiter zu befördern. Auf hohen Häusern, Kirchen oder eigens erbauten Türmen wurden Telegrafen montiert, deren „Arme“ in verschiedene Richtungen bewegt wurden. Damit wurden sogar codierte Nachrichten, die nur der Empfänger entschlüsseln konnte, von Posten zu Posten kommuniziert. Die Meldung, dass Andreas Hofer möglichst schnell abgeurteilt und hingerichtet werden soll, ist 1810 tatsächlich über optische Telegrafen von Paris über Mailand nach Mantua gekommen.

Und die Rohrpost, die durch die Sonderausstellung saust?

Sporer-Heis: Ganze Städte wie Wien, Berlin und Prag waren mit Rohrpost unterlegt, um über weite Strecken von einigen Kilometern Telegramme und Briefe zu verschicken. Heute wird sie vor allem noch in Krankenhäusern verwendet, um zum Beispiel Medikamente mittels Luftdruck quer durch ein Gebäude zu „schießen“. In der Ausstellung haben wir eine eigene Rohrpost durch den ganzen Raum gebaut. Die Besucherinnen und Besucher können sie selbst bedienen – und mit ihren alltäglichen Kommunikationsmitteln vergleichen.

Eine Rohrpost kann selbst bedient werden.
© Wolfgang Lackner
Eine Rohrpost kann selbst bedient werden.

Autorin

Mag.a. Clara Maier

arrangierte für das Fotoshooting zum Interview gemeinsam mit Claudia Sporer-Heis und Fotograf Wolfgang Lackner ein Morsegerät aus dem Jahr 1912. Es fügte sich optimal in das Ambiente, das Büro in Kaiser Maximilians ehemaligem Zeughaus, ein.
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