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16.6.2020
4 min
Mag.a. Clara Maier

Dirndl zwischen Tradition und Widerstand

Von der nationalistischen Gertrud Pesendorfer bis zu Dirndlaktivistinnen: Wie ideologisch unterschiedlich Tracht gesehen wird, darüber spricht Ausstellungsmacher Reinhard Bodner im Interview zur Sonderausstellung im Volkskunstmuseum.

Tracht hat eine lange Geschichte. Wie stark sind Tradition und Politik in diesem Werdegang verankert?

Reinhard Bodner: Anfangs war mit Tracht allgemein „Kleidung“ gemeint, die zu unterschiedlichen Anlässen getragen wird. Indem sie aber zum Symbol für Unterschiedlichkeit wird, wird sie zusehends auch politisch interessant. Gesellschaftliche Stände oder regionale Unterschiede zu betonen, um soziale Nöte zu verdecken, das war durchaus schon im Interesse der Herrschenden in der Monarchie. Tracht drückte Solidarität mit dem Kaiserhaus aus und zeichnete ein harmonisches Gesellschaftsbild. Grenzt man sich durch diese Gemeinschaftskonstruktion von anderen ab oder schließt diese sogar aus, wird es problematisch. In der NS-Zeit hatte das sicherlich seine radikalste und beklemmendste Konsequenz, die wir auch in der Ausstellung thematisieren. Tracht sollte ein Privileg der arischen Bevölkerung sein. Das löst heute bei vielen noch ein Unbehagen aus.

Bedeutet das, die Tracht wurde von der Politik für ihre Zwecke benutzt?

Bodner: In diesem Zusammenhang, ja. Tracht hat aber auch immer schon viel mit Demokratie zu tun. Im 19. Jahrhundert waren es oft Adelige – wie zum Beispiel Erzherzog Johann – die sich trachtig kleideten. Dann gründeten sich bürgerliche Trachtenvereine. Wenn es heute möglich ist, dass sich breite Bevölkerungsschichten in Großmärkten diesen Kleidungsstil aneignen, vielleicht sogar ganz unorthodox kombiniert, trägt das zur Demokratisierung des Kleidungsstiles bei. Die Tracht soll nicht mehr einzelnen Gruppen vorbehalten bleiben, soll kein Monopol sein, sondern ein Kleidungsstil für viele.

Einige Beobachter sagen, das Trachtige ist heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Im Bundespräsidentenwahlkampf 2016 hat ja nicht nur Norbert Hofer auf Tracht rekurriert, auch Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen zeigte sich im Trachtenjanker. Die schwule Schuhplattlergruppe Schwuhplattler aus Bayern stellt außerdem die klassischen Geschlechterbilder der Tracht in Frage. Tracht weist ideologisch gesehen nicht mehr nur in eine Richtung, es gibt inzwischen eine Offenheit und Möglichkeiten, das Trachtige freier und kreativer zu adaptieren. Das ist die optimistische Deutung.

Antifaschistische Schürze, für die Sonderausstellung im Volkskunstmuseum, bestickt von den Aktivistinnen von „Reclaim the Dirndl“, 2019, mit der Parole „Never let the fascists have the Dirndl“
© Johannes Plattner
Antifaschistische Schürze, für die Sonderausstellung im Volkskunstmuseum, bestickt von den Aktivistinnen von „Reclaim the Dirndl“, 2019, mit der Parole „Never let the fascists have the Dirndl“

Und die weniger optimistische?

Bodner: Man kann natürlich auch sagen: Der Dirndl- und Lederhosenkult in der Jugendmode beim Gauderfest tendiert eher zu einer Mischung aus Hedonismus, Spaß- und Popkultur und einem neuen Rechts-Konservativismus. Uns ist es wichtig, in der Ausstellung keine moralischen Wertungen vorzunehmen, sondern die Trachten von allen Seiten zu beleuchten; nicht vorschnell zu urteilen und gleichzeitig nichts zu verharmlosen.

Was fasziniert Sie an der Herstellung der Tracht?

Bodner: Viele Trachtenkleider sind ästhetisch sehr schön, im Farbenreichtum und in der handwerklichen Präzision. Historisch gesehen schrieben die Herrschenden der bäuerlichen Bevölkerung vor, nur Materialien aus eigener Produktion zu verwenden, bei uns also Wolle und Flachs. Diese Verordnungen waren gegen allzu großen Kleiderluxus gerichtet. Nicht immer hielt sich die Bevölkerung aber daran. Entsprechend den wirtschaftlichen Verhältnissen wurden auch feinere, teurere Tücher aus dem internationalen Handel verwendet. Auch Pelze kamen zum Einsatz.

Wie wird die Tracht 2050 aussehen?

Bodner: Ich arbeite als Ethnologe mit historischem Material, in die Zukunft zu blicken, fällt mir schwer. In der Tracht ist ja Kontinuität gefragt, die Tracht von Vereinen, Musikkapellen oder Schützen lässt daher vielfach nur relativ kleine Änderungen zu. Es ist aber auch eine modische Konjunktur zu bemerken, bei der Tracht ganz unkonventionell mit Sneakern kombiniert wird. Das könnte sich weiter entwickeln.

Autorin

Mag.a. Clara Maier

erfuhr beim Interview mit Reinhard Bodner spannende Details zur und Perspektiven auf die Tracht und könnte noch viel mehr darüber schreiben. Ihr Tipp: Die Sonderausstellung anschauen!
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