- 21.5.2021 - 3.10.2021
Am 12. Juli 1520 brach Albrecht Dürer zu einer einjährigen Reise in die Niederlande auf, um nach dem Tode Kaiser Maximilians bei der Krönung von dessen Nachfolger Karl V. in Aachen eine Erneuerung seiner Privilegien, namentlich einer Leibrente von 100 Gulden jährlich, zu erbitten. Dürer nutzte die Zeit bis zum Krönungszeremoniell, um ein dichtes Netz ihm zugeneigter Fürsprecher seines Ansinnens aus der Entourage des Thronanwärters zu spinnen.
Der Künstler führte ein Reisetagebuch, in dem er akribisch seine Route, die Ausgaben und Einnahmen sowie die Personen aufzählt, mit denen er gegessen, gebadet und gezecht hat. Wie sich dem Tagebuch ebenfalls entnehmen lässt, hatte Dürer zahlreiche Abzüge seines druckgrafischen Œuvres im Gepäck, die er an Gönner verschenkte, gegen Leistungen eintauschte und zur Schonung und gelegentlichen Auffüllung seiner Reisekasse verkaufte: „Jch hab 4 gulden 10 stüber auß kunst gelöst … Jch hab 1 gulden zu zehrung gewechselt.“ Dürers mit seinem Monogramm beglaubigte Druckgrafiken wurden auch dort noch als Zahlungsmittel akzeptiert, wo bischöfliche Zollbriefe keine Wirkung mehr zeigten.
Nicht nur erlebt der Leser seines Reisetagebuches den schon zu seiner Zeit außerordentlich berühmten Künstler als umgänglichen und freigebigen Zeitgenossen – „Jtem 5 stüber verbadet und mit den gesellen vertruncken“ –, auch geben die Aufzeichnungen beredtes Zeugnis von der unstillbaren Neugier Dürers, der etwa eine entbehrungsreiche Reise an die Nordsee nicht scheute, um einen gestrandeten Wal zu besichtigen, oder das neu errichtete Anwesen des Fuggers Jakob II. des Reichen bei Antwerpen besuchte, um „seine hübsche hengst“ zu bewundern.
Dank seines Tagebuches kennen wir auch die Namen, die Dürer vielen seiner Werke selbst gegeben hat und von uns bis heute zu ihrer Bezeichnung verwendet werden. Der Leser des Reiseberichtes begegnet diesen heute in allen Sammlungen der Welt vertretenen Kunstwerken Dürers, von deren Entstehungszeit uns unterdessen ein halbes Jahrtausend trennt, als taufrischen Alltagsgegenständen des Künstlers. Mit einer Auswahl von Abzügen dieser Schöpfungen, die die Grafische Sammlung seit letztem Jahr als hochherzige Dauerleihgabe des Stiftes Stams bewahren darf, feiern wir ein untergegangenes Zeitalter liquider Kunst.
