Die riesengroße Welt der Insekten
Unter dem Titel „Arbeiten an den Insektensammlungen“ laden die Tiroler Landesmuseen (TLM) jeden zweiten Freitag im Monat von Oktober bis April zu einem ganz außergewöhnlichen Event ins Sammlungs- und Forschungszentrum (SFZ) in Hall.
Andreas Eckelt ist Entomologe und arbeitet schon seit 14 Jahren in den Tiroler Landesmuseen (TLM). Als Insektenforscher beschäftigt er sich mit Lebewesen, die bei vielen Menschen entweder als „grausliche Viecherl“ verschrien sind, wie etwa Wanzen, oder aufgrund ihrer Schönheit immer schon gefeiert werden, beispielsweise Schmetterlinge, die wohl als absolute Lieblinge unter den Insekten gelten. Der studierte Entomologe begrüßt die Teilnehmer*innen an diesem Nachmittag mit einem „Schön, dass ihr da seid“ an der Pforte des (SFZ). Während er sie durch die imposanten Gänge und schließlich hinunter in das erste Untergeschoss führt, gibt Andreas eine kleine Einführung in die Besonderheiten des Baus, der sich zwei Stockwerke unter die Erdoberfläche schraubt. Die nötigen Bedingungen für die Konservierung der unterschiedlichen Objekte wurden etwa bereits beim Bau des SFZ geschaffen: eine konstante Raumtemperatur von 19°C und eine relative Luftfeuchte von 50%. Die Stockwerke ragen zum Teil in die Erde, um Heizung und Kühlung zu optimieren, außerdem sind eine Erdwärmepumpe und eine 500 m2 große Photovoltaikanlage im Einsatz.
Einblick in die Sammlung
Der erste Weg führt die Teilnehmer*innen auch direkt in das Depot der Naturwissenschaftlichen Sammlung, dort, wo Millionen Insekten in systematischer Ordnung in ihren Schaukästen gelagert werden. Mit Begeisterung erzählt Andreas von den besonderen, seltenen und bekannten wie heimischen Schmetterlingen, Wanzen, Käfern, Zikaden, Bienen und Ameisen (und vielen Arten mehr), die hier zu finden sind. Schließlich gewährt er auch einen kleinen Blick in jenen Bereich, in dem heimische und exotische Wirbeltierpräparate aufbewahrt werden. Man staunt, vor allem darüber, dass in der Naturwissenschaftlichen Sammlung der TLM nicht nur heimische Tierarten zu finden sind – sogar ein präparierter zähnefletschender Königstiger zeigt sich dem Publikum.
Hobby trifft Neugier
Dann steht der eigentliche Grund des Treffens auf dem Programm, das Arbeiten an den Insektensammlungen. „Unser Bestand wächst laufend u.a. durch Schenkungen, Spenden und Nachlässe, z.B. von privaten Hobbysammler*innen oder Universitäten. Für das Ordnen und Dokumentieren unserer Bestände brauchen wir daher jede helfende Hand“, betont Andreas auch die Notwendigkeit dieser Arbeitsnachmittage. Die „helfenden Hände“ sind bunt gemischt: Biologie-Student*innen, Hobbysammler*innen, Expert*innen, Interessierte und Neugierige eint ein gemeinsames Thema: die Leidenschaft für die Erforschung von Insekten. Sogar ehemalige Mitarbeiter*innen sind dabei, die in ihrer Pension nun ehrenamtlich ihrer Entomologen-Leidenschaft nachgehen.
Es wird gearbeitet, …
In einem großen Arbeitsraum sind schon zahlreiche Insektenkästen vorbereitet, die kürzlich der Naturwissenschaftlichen Sammlung gespendet wurden. Die darin enthaltenen präparierten Insekten und Schmetterlinge müssen nun umgesteckt und mit klitzekleinen Eingangsetiketten versehen werden, wodurch sie offiziell in die Sammlung der TLM aufgenommen werden. „Danach werden die neuen Bestände digitalisiert und in die Hauptsammlung eingereiht“, erklärt der Entomologe. Für die Dokumentation wichtige Angaben sind Fundort, die genauen Koordinaten, Datum und wer das Exemplar gefunden hat. „Anhand dieser Angaben kann man das Vorkommen in einschlägigen Datenbanken vergleichen, wodurch sich eine Verbreitungsdokumentation und in einem nächsten Schritt auch die Gefährdungslage der Art herauslesen lässt“, erklärt Andreas weiter. Und dieses Wissen ist essenziell, schließlich sagen Insektenbestand und deren Gefährdungslage auch viel über Klimawandel, Ökosystem und ökologisches Gleichgewicht aus.
… genetzwerkt …
Neben dem Arbeiten an den Sammlungen sind aber vor allem die Gespräche und der Austausch das eigentliche Herz dieser Nachmittage, die nahezu einem „Szenetreff“ ähneln, da den Großteil der Teilnehmer*innen die Sammel- und Insektenleidenschaft verbindet. Andreas gibt dabei nicht nur Tipps zum Erstellen einer Sammlung, sondern hilft auch beim Bestimmen der von Hobbysammler*innen gefundenen Exemplare und erzählt Spannendes, Wissenswertes und Außergewöhnliches aus der Welt der Insekten. Wussten Sie etwa, dass knapp 80 Prozent aller 8.000 heimischen Käferarten unter fünf Millimeter groß sind und daher deren genaue Bestimmung von nur mikroskopisch erkennbaren Merkmalen abhängt? Oder, dass der kleinste Käfer Europas nur 0,4 Millimeter lang und so dick wie ein Haar ist? Oder, dass es die Methode des Lichtfangs gibt, bei der Insekten mittels UV-Licht im Freien angelockt und so kontrolliert und bestimmt werden können?
… und gefachsimpelt
Auch Hobbysammler*innen haben an diesen Nachmittagen die Gelegenheiten, mit Gleichgesinnten zu fachsimpeln und vom einen oder anderen Erfolgsfund zu berichten. So erzählt Biologie-Masterstudent und Hobbysammler Sebastian Puzon begeistert: „Ich habe in Süddeutschland eine seltene Wanze gefunden und bei der Durchsicht der Datenbanken entdeckt, dass dies erst das zweite gefundene Exemplar dieser Art in ganz Deutschland ist.“ Alina Koeters, ebenfalls Biologie-Masterstudentin und Hobbysammlerin, erzählt hingegen von ihrer bereits recht stattlichen Zikadensammlung, die bei Andreas besondere Freude hervorruft: „Mit Zikaden bist du bei uns überaus willkommen, unsere Naturwissenschaftliche Sammlung verfügt nämlich über jede Menge noch unbestimmte Exemplare.“
Wichtige Arbeitsnachmittage
Für Andreas sind diese Nachmittage nicht nur ob der helfenden Hände wichtig, sondern auch, um sich einen kleinen Einblick in die aktuelle „Entomologen-Szene“ zu verschaffen, denn „leider ist es gerade im Bereich der Artenkenner so, dass viele Expert*innen bereits älteren Semesters sind und selbst schon zu den ,seltenen Exemplaren‘ zählen. Im schlimmsten Fall gibt es für einige Insektengruppen dann bald niemanden mehr, der diese überhaupt erkennen und bestimmen kann. Dass so viele junge Hobbysammler*innen und Interessierte bei diesen Nachmittagen dabei sind, freut mich daher besonders.“
Haben Sie Lust bekommen, mehr über die vielfältige Welt der Insekten zu lernen? Dann notieren Sie sich gleich die nächsten Termine, jeweils freitags: 14. Februar, 14. März und 11. April 2025, 13 bis 18 Uhr, im Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen.
Interessante Zahlen
Das Sammlungs- und Forschungszentrum der Tiroler Landesmuseen in Hall beherbergt einen der größten regionalen Sammlungsbestände in Österreich. Mehr als 8000 m2 groß sind die Depots, in denen mehrere Millionen Objekte aus Kunst, Kultur und Naturwissenschaften gelagert werden. Die Insektensammlungen der TLM umfassen über drei Millionen Exemplare und mehr als 16.000 verschiedene Arten. Von ganz besonderer Bedeutung ist die Sammlung der Alpenschmetterlinge, sie ist die weltweit vollständigste und größte ihrer Art. Bemerkenswert sind aber auch die riesigen Bestände an Käfern, Wanzen und anderen Insektenordnungen wie Hautflügler, Fliegen oder weitere wirbellose Gruppen wie Schnecken und Muscheln.
Weitere Infos zur Naturwissenschaftlichen Sammlung der TLM finden Sie hier.