WIE ZEIGT SICH DAS IN DER AUSSTELLUNG? WERDEN BEI UNS IN INNSBRUCK GEMÄLDE AUSGESTELLT, DIE IM IRAN NICHT ZU SEHEN WÄREN?
Rafiee: Diese Ausstellung ist keine politische Ausstellung, obwohl sich einige Werke auf die Situation zeitgenössischer Frauen und Männer in der heutigen Welt beziehen. Die Arbeiten veranschaulichen tendenziell die poetische Welt eines iranischen Geistes. Wenn wir über poetischen Geist sprechen, geht es um Mystik, Symbolik und Lesen zwischen den Zeilen. Hafez (Anm. Muhammad Schams ad-Din, persischer Dichter mit dem Ehrennamen „Hafez“) war politisch, ebenso Saadi (Anm. Muscharraf ud-Din Abdullah, persischer Dichter und Mystiker). Aber politische Arbeit kann unterschiedlich definiert werden, je nachdem, wie vorsichtig man sein muss, was man sagt. Ich glaube, so haben viele Namen und Werke überlebt.
Mofakham: Einige der Werke dieser Ausstellung wurden bereits im Iran ausgestellt, andere wurden nur für diese Sonderausstellung geschaffen. Und ja, leider hätten einige keine Chance, im Iran ausgestellt zu werden.
WAS MACHT MODERNE IRANISCHE KUNST FÜR SIE SO BESONDERS?
Rafiee: Zuallererst unsere Wertschätzung für all jene Menschen, die eine Plattform gegründet haben, auf der wir jetzt alle stolz stehen. Wir sind die letzte Generation, viele dieser Meister treffen konnte und deshalb Zeugin und Zeuge der modernen iranischen Kunst, obwohl wir in einer anderen Zeit leben. Wir hatten beide das Glück, viele dieser Künstlerinnen und Künstler persönlich zu kennen, mit ihnen zu arbeiten, ihre Werke in ihrer Gegenwart zu studieren.
Mofakham: Und als Archivare waren wir gesegnet, dass viele von ihnen uns vertrauten und zum Verwalter ihrer Archive ernannten. Wir glauben, dass diese sehr wichtige Zeitspanne noch untersucht werden muss. Wir haben Kunstschaffende aus verschiedenen Generationen ausgewählt, die eine wichtige Rolle dabei spielen, iranische Kunst auf internationaler Ebene zu verbreiten.
WELCHE MÖGLICHKEITEN KÖNNTE IRANISCHE KUNST DER GESELLSCHAFT BIETEN?
Rafiee: Es kommt darauf an, von welcher Arbeit von welchem Künstler oder welcher Künstlerin wir sprechen. Und natürlich an welchen Teil der Gesellschaft wir denken. Der Iran ist ein großes Land, ein multiethnisches und -kulturelles Land. Wenn wir über lokale Kunst sprechen, die sich an ein lokales Publikum richtet, können wir beispielsweise sagen, was ein Künstler aus Täbris im Nordwesten den Menschen in Sistan im Südosten präsentiert, könnte unter anderen Gesichtspunkten gelesen werden. Aber im Allgemeinen sind Kunst und Kunstwerke Teil der intellektuellen Bewegung im Iran.
WELCHE ROLLE SPIELT RELIGION IN DER KUNST IM IRAN?
Mofakham: Im Iran gibt es eine religiöse Vielfalt. Wir haben Künstlerinnen und Künstler und kategorisieren sie nicht nach Religion oder ethnischer Zugehörigkeit. Manche sind geborene Christen, einige Juden, Zoroastrianer oder Muslime. Die unabhängige iranische Kunstszene ist eine sekuläre Kunstszene, obwohl einige Künstlerinnen und Künstler religiös sind und ihre Arbeit religiös sein könnte – oder aber auch nicht. Wenn wir jedoch von Religion als Tradition sprechen, findet man in manchen Werken religiöse Symbole oder Zeichen, insbesondere in einigen wichtigen Bewegungen wie Saqqakhaneh, der führenden künstlerischen Bewegung in der Neuzeit.
Rafiee: Wenn wir dieses Thema erweitern, könnte sogar der Perserteppich als religiöses Werk betrachtet werden, da er ein Bild des Paradiesgartens ist, den Menschen in ihre Häuser legen. Auch in der Kunst aus christlichen Ländern stammen viele der Symbole, Zeichen und Geschichten aus der christlichen Kultur und Tradition. Es ist also besser, die riesige Welt der Kunst nicht darauf zu beschränken.
WAS WAREN DIE HERAUSFORDERUNGEN BEI DER ORGANISATION DER SONDERAUSSTELLUNG IN CORONA-ZEITEN?
Mofakham: Die Corona-Krise und die weltweiten Opfer stellten uns vor eine große Herausforderung – auch in Bezug auf Sanktionen und den Schaden für die Kunstszene und kulturelle Ereignisse. Ein Beispiel ist, dass es keine Versicherung für Werke gibt, die aus dem Land kommen. Nur durch Vertrauen verleihen all diese Künstlerinnen und Künstler, Sammlerinnen und Sammler dieser Ausstellung ihre Werke.
Rafiee: Das ist das Schöne am Iran. Menschen vertrauen einander und verlassen sich auf ihre Worte, nur weil sie glauben, dass sie dafür verantwortlich sind, ihre Kultur zu fördern und darüber zu sprechen. Die einzige Versicherung, die sie für ihre Werke verlangten, war eine gute Ausstellung. Sie wünschten uns viel Glück und danken dem österreichischen Publikum von ganzem Herzen.
Aus dem Englischen übersetzt.