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28.4.2021
4 min
Volha Karankevich-Koch

Zeige mir die Rückseite

Die Rückseite eines Gemäldes kann zu einem seltenen Glücksfund werden – hier wurde schon so manches Geheimnis entdeckt.

// Auszug aus dem Wissenschaftlichen Jahrbuch 2020 //

Gelegentlich tragen die Rückseiten von Gemälden spannende Informationen zum Werk, zur Provenienz, zur Künstlerin bzw. zum Künstler selbst oder sogar zu weiteren, versteckten Gemälden bei. Einige Kunstwerke wechseln sogar wegen ihrer Rückseite den Besitzer bzw. die Besitzerin. Es lässt sich beobachten, dass Gemälde auf der Rückseite häufig unvollendet sind oder aber vom Künstler bzw. von der Künstlerin durchgestrichen wurden. Manchmal entstehen sie im selben Jahr, wiederholen Stimmung, Motiv, Farben oder Technik der Gemälde auf der Vorderseite. Oder es liegen Jahre dazwischen und sogar eine stilistische Entwicklung wird sichtbar.

Auch im Besitz des Franz Marc Museums finden sich einige solche Gemälde. Aus dem Jahr 1914 stammt beispielsweise das Gemälde „Blaue Artisten“ von Ernst Ludwig Kirchner, auf dessen Rückseite er „Zwei Akte“ oder „Zwei Tennisspielerinnen“ malte. Rund zehn Prozent seines malerischen Œuvres sind auf diese Weise entstanden. Des Weiteren sind auf der Rückseite Aufkleber angebracht, die Rückschlüsse auf die Provenienz ermöglichen: unter anderem Nationalgalerie Berlin und Centre George Pompidou

Ernst Ludwig Kirchner, Blaue Artisten, 1914 (recto), Öl auf Leinwand, Kochel am See, Franz Marc Museum, Dauerleihgabe aus Privatbesitz
© Foto: Collecto.art
Ernst Ludwig Kirchner, Blaue Artisten, 1914 (recto), Öl auf Leinwand, Kochel am See, Franz Marc Museum, Dauerleihgabe aus Privatbesitz

Das rückseitige Gemälde ist in düsteren Farbtönen gehalten und zeigt zwei unbekleidete Frauen, die Aphrodite gleich den Wellen bei Fehmarn entsteigen. 

Die beiden Gemälde unterscheiden sich thematisch: Die Vorderseite stellt Stadtleben, Zirkus und Varieté dar, während die Rückseite das Bestreben, „Mensch und Natur in eins zu erfassen“ verfolgt. Die vertikale Darstellung beider Seiten ermöglicht deren zeitgleiche Präsentation. So wurde dieses Objekt 2017 im Franz Marc Museum in einem freistehenden Rahmen für die Besucherinnen und Besucher beidseitig sichtbar gemacht.

Ernst Ludwig Kirchner, Zwei Akte / Zwei Tennisspielerinnen, o. J. (verso), Öl auf Leinwand, Kochel am See, Franz Marc Museum, Dauerleihgabe aus Privatbesitz
© Foto: Collecto.art
Ernst Ludwig Kirchner, Zwei Akte / Zwei Tennisspielerinnen, o. J. (verso), Öl auf Leinwand, Kochel am See, Franz Marc Museum, Dauerleihgabe aus Privatbesitz

Erich Heckel und die Rückseitenbemalung

Auch in der Sammlung Stangl finden sich zwei Werke von Erich Heckel mit Rückseitenbemalungen. Bei seinem im Jahr 1910 entstandenen Gemälde „Blankenese“ findet sich auf der Rückseite das abgeschlossene, dennoch durchgestrichene Gemälde „Tanzendes Paar“. Hier ist das Brücke-Thema „Der Mensch in Bewegung“ zu sehen: Zwei Seiltänzer balancieren mit einem Schirm in Händen. Gemeinsam ist beiden Gemälden, dass sie frühe Werke von Heckel sind und somit Elemente des Expressionismus aufweisen.

Erich Heckel, Blankenese, 1910 (recto), Öl auf Leinwand, Kochel am See, Franz Marc Museum, Stiftung Etta und Otto Stangl
© © Bildrecht, Wien 2021. Foto: Collecto.art
Erich Heckel, Blankenese, 1910 (recto), Öl auf Leinwand, Kochel am See, Franz Marc Museum, Stiftung Etta und Otto Stangl

Sowohl Kirchner als auch Heckel nutzten die Rückseiten ihrer Leinwände schon in den Anfangszeiten der Brücke und bewahrten die dort entstandenen Gemälde konsequent auf. Dies trifft nicht auf alle Brücke-Künstlerinnen und -künstler zu: So gingen Müller und Schmis-Roslof erst um 1919/1920 dazu über, auch die Rückseiten ihrer Leinwände zu bemalen. Hier finden sich auf der Rückseite übermalte Gemälde.

Die Bemalung der Rückseite ist nicht nur auf mögliche finanzielle Gründe zurückzuführen, sondern geschah viel mehr auch aus Spontanität und emotionaler Direktheit. Dies entspricht der Forderung der Brücke, das Gesehene „unmittelbar und unverfälscht“ festzuhalten.

Erich Heckel, Drahtseil-Artisten / Tanzendes Paar, o. J. (verso), Öl auf Leinwand, Kochel am See, Franz Marc Museum, Stiftung Etta und Otto Stangl
© © Bildrecht, Wien 2021. Foto: Collecto.art
Erich Heckel, Drahtseil-Artisten / Tanzendes Paar, o. J. (verso), Öl auf Leinwand, Kochel am See, Franz Marc Museum, Stiftung Etta und Otto Stangl

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Der vollständige Artikel wurde im Wissenschaftlichen Jahrbuch 2020 veröffentlicht.

Der heurige 13. Band gliedert sich in drei große Themenbereiche: die COVID-19-Pandemie aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln; Artikel der Teilnehmer*innen der Tagung „Die Kehrseite des Unsichtbaren“ im Zuge der Ausstellung „Vergessen“ im Ferdinandeum; und diverse Beiträge zu geistes- und naturwissenschaftlichen Themen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Tiroler Landesmuseen.

Wissenschaftliches Jahrbuch 2020
© TLM
Wissenschaftliches Jahrbuch 2020

Autorin

Volha Karankevich-Koch

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