- 28.5.2021 - 15.8.2021
PODCAST
MUSEUMSGEFLÜSTER: Bernd Oppl – Was ist Raum?
Raum ist wie Zeit, könnte man sagen: Jeder weiß intuitiv was es ist, aber keiner kann es genau beschreiben, wenn er es müsste. Zu Gast in dieser Folge ist der Künstler Bernd Oppl, der sich mittels Architekturmodellen mit Räumen beschäftigt. Er analysiert in seiner Kunst etwa wie wir in Räume geworfen werden, wie Raumüberschneidungen funktionieren und welche Rolle Räume in Filmen spielen.
ZUR AUSSTELLUNG
„In meiner Arbeit spüre ich der Frage nach, in welchen Räumen wir uns bewegen: in fremden und selbst geschaffenen, in realen und virtuellen Architekturen, in äußeren und inneren, in physischen und psychischen Räumen.“ Bernd Oppl
Die Arbeit des österreichischen Künstlers Bernd Oppl hinterfragt unsere Raumwahrnehmung und erweitert sie zugleich. Ausgehend von der Feststellung, dass in einer zunehmend digitalisierten Welt die Grenzen zwischen realen und virtuellen Räumen fließender werden, macht er uns mit seinen Raummodellen, Fotografien und Installationen klar, dass wir Räume nicht nur physisch mit unserem Körper, sondern auch mit unseren Vorstellungen bewohnen. Wie sehen die im Medienzeitalter entstandenen Räume zwischen Fiktion und Realität, wie die Architektur der Schnittstellen aus? Befinden wir uns heute nicht doch in temporären Vorstellungsräumen? Und inwieweit können museale Räume als solche gelten?
Temporäre Räume
Bernd Oppl bezeichnet Film als „architektonische Kunst, die Raum abbildet, transformiert und dadurch neue Räume schafft.“ Für seine Videoskulptur „Korridor“ (2009), die in Studio 1 präsentiert wird, hat er den langen Flur aus Stanley Kubricks Film „The Shining“ (1980) rekonstruiert, das Setting einer Filmszene, in der Blut aus den verschlossenen Türen quillt und den Gang überflutet. Im Film versinnbildlicht das Blut das geistige Wesen, von dem das Hotel besessen ist. Oppl ersetzt das Blut durch kleine weiße Kugeln, die in eine kontinuierlich fließende Bewegung versetzt werden. Durch die Rotation des Raummodells bewegt sich der Kugelstrom nicht nur am Boden, sondern auch an der Decke und den Wänden entlang. Die mit dem Objekt starr verbundene Kamera lässt den Korridor bzw. dessen Filmbild statisch erscheinen.
„Diffusion“ (2016) ist Teil von Oppls fotografische Serie „Ephemeral Places“. Darin werden Übergangsräume bzw. temporäre Orte wie Wartehallen, Passagen oder Schlafsäle vom Künstler in kleinen Modellen exakt rekonstruiert. Von zentraler Bedeutung sind dabei die faszinierenden Prozesse, die Oppl für seine Fotografien erzeugt. So werden in den Raummodelle Substanzen freigesetzt, welche sich darin chaotisch verhalten. Die unerwarteten Irritationen lassen sich als eine neue Art der Raumintervention erkennen. Sie eröffnen neue Projektionsmöglichkeiten, während die Räume als Bühnen für unsere Vorstellungen aktiviert werden.
In Studio 1 werden auch drei Dioramen ausgestellt. Schaukästen oder 3D-Mikrowelten sind seit dem 19. Jahrhundert als eigenes Medium bekannt. Charakteristisch sind ihre besonders starke Illusionserzeugung und gleichzeitig deren unmittelbarer Bruch. Oppls Miniatur-Dioramen begeistern als exakte (Re)-Konstruktionen von Räumen, die man als ephemer bezeichnen könnte, da sie nur in Verbindung zum virtuellen Raum existieren oder existiert haben: Bei „Sendepause“ (2016) taucht man in ein verlassenes Fernsehstudio ein, in einen Funktionsraum im Moment seiner Funktionslosigkeit.
„I looked around the internet“ (2018) zeigt ein Internetcafé samt dreier Computerplätze, leicht versetzter Stühle, einem Getränkeautomat und einer tickenden Uhr. Die Szene erzeugt dabei nicht nur eine Idealisierung des Raumes, wie sie die Modell-Welten in Dioramen erschaffen, sondern auch eine Idealisierung von Zeit.
„Rhythm of the Night“ (2019) führt in ein Karaoke-Separee mit Disco-Licht. Auf dem Monitor erscheint der Text von James Blakes Song „Retrograde“ von 2013. Oppls menschenleere Räume wecken Erwartungshaltungen, zum Beispiel in Bezug auf die Handlungen, die in ihnen stattfinden oder stattgefunden haben. Sobald man sich einem der Dioramen entzieht, wird wiederum ein Moment der Selbstreflexion möglich: über die Geschichten, die man individuell entwickelt und über die Dimensionen des Raumes, den man individuell wahrgenommen hat.
Hier aber nicht hier
Die Arbeit „like a hole in a room like a room in a hole“ (2021), die im oberen Geschoss der Ausstellung zu sehen ist, lädt Besucher*innen dazu ein, ihre Position im musealen Raum zu reflektieren. Sind sie wirklich Teil davon oder nur externe Betrachter*innen? Was passiert, wenn das Betrachtete plötzlich verschwindet? Zwei Meter große schwarze Kuben stehen sich hier in engem Abstand leicht versetzt gegenüber. Einer dieser Kuben ist geöffnet. Die Rückseite des offenen Kubus bildet eine verspiegelte Fläche. Ihm gegenüber liegt ein identer, allerdings mit einem Zweiwegspiegel versehener geschlossener Kubus, wodurch sich in den beiden Spiegelflächen eine unendliche Passage ergibt. Erst wenn im Inneren des Raumes das Licht langsam angeht und die Spiegelung verschwindet, wird der Raum hinter dem Zweiwegspiegel des geschlossenen Kubus sichtbar. Damit verschwindet auch die unendliche Passage und im offenen Kubus erscheint das Spiegelbild eines leeren weißen Raumes. Durch die versetzte Lage der beiden Kuben wird außerdem der Umgebungsraum eingespiegelt. Die Besucher*innen entdecken sich in einem Vorstellungsraum, der erscheint und wieder verschwindet, der nicht betreten, sondern nur betrachtet werden kann.
Bernd Oppl, 1980 in Innsbruck geboren, hat Malerei und Grafik an der Kunstuniversität Linz sowie Video und Videoinstallation an der Akademie der bildenden Künste Wien studiert. Er lebt und arbeitet in Wien. Seine Werke präsentierte er in Einzelausstellungen u.a. im Georgia Museum of Art (USA), im Kunstraum Kuiper Projects in Brisbane (Australien), im Kunstraum Dornbirn, im Lentos in Linz sowie bei zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen und Filmfestivals in Österreich, den USA, Italien, Bulgarien, Türkei, Niederlanden, Liechtenstein, Russland, China, Belgien, Frankreich, Brasilien, Spanien, Dänemark, Taiwan und England. Bernd Oppl wurde ausgezeichnet mit dem Förderpreis für zeitgenössische Kunst des Landes Tirol 2008, dem RLB Kunstpreis 2012, dem Kunstpreis der Stadt Innsbruck 2015, dem Residency Stipendium 2018 in Wiels (Brüssel) und dem Österreichischen Staatstipendium für Bildende Kunst 2019.