7.7.2023
5 min
Elisabeth Probst, MA

Raus aus der Box

Mit Linien, Farben und Formen reißt Anna-Maria Bogner räumliche Perspektiven und geistige Grenzen ein. Wir haben die Künstlerin zum Interview getroffen.

Am 6. Juli hat im Ferdinandeum die Ausstellung zum RLB Kunstpreis 2022 eröffnet. Die Hauptpreisträgerin heißt Anna-Maria Bogner. Ihre Werke beschäftigen sich mit Räumen, deren Grenzen, deren Wahrnehmung und dem, was dazwischen liegt.
1984 in Schwaz geboren und in Brixlegg aufgewachsen, studierte Anna-Maria Bogner an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Heute lebt und arbeitet sie in Düsseldorf. Nach Ausstellungsprojekten in Göttingen, Brüssel, Graz, Los Angeles und Budapest kehrt sie für „Ergo“ nach Tirol zurück. Die gezeigten Zeichnungen und eine Installation hat die Künstlerin individuell für die Schau entwickelt. Wie typisch für ihre Werke ist der Ausstellungsraum selbst Bestandteil der Kunst, als Rahmen, thematische Vorgabe, Kulisse. Wie Farbe, Papier und Gummiband fließt auch seine Beschaffenheit direkt in die Arbeiten ein. Das Ergebnis lässt gewohnte Blickwinkel kippen, bringt starre Wahrnehmungsmuster in Bewegung und lädt zum Spiel mit den eigenen und anderen Sichtweisen.

Frau Bogner, was ist Raum?
Anna-Maria Bogner: Ich erkläre das ganz gerne über den deutschsprachigen Begriff, wo sich Raum nur über Grenzen formuliert. Wir hören „Raum“ und assoziieren die Box oder das Zimmer. Aber Raum ist viel mehr. Das englische Äquivalent „space“ zum Beispiel definiert sich über gar keine Grenzen. Im Deutschen ist das so nicht verankert, da dominiert der umschlossene Raum. Wenn wir uns Raum vorstellen, setzen wir uns im Kontext der deutschen Sprache gerne in die Box. Ich versuche diese Box aufzulösen und es Betrachter*innen möglich zu machen, Raum als etwas Grenzenloses, Unendliches, vielleicht auch Indifferentes wahrzunehmen, als etwas, das vielleicht gar nicht so viel mit diesem materiellen Raumbegriff zu tun hat.

Als gebürtige Tirolerin sind Sie selbst Teil der beschriebenen Wahrnehmungskultur. Wie gelingt es Ihnen, Ihre künstlerische Sichtweise dem Ausstellungspublikum zu vermitteln?
Da bin ich sehr rational, sehr logisch. Ich bin geboren in dieser deutschen Sprachkultur und wenn ich an Raum denke, denke ich auch an eine Box. Deswegen ist der Startpunkt in meinen Zeichnungen eine Schachtelkonstruktion. Sie bietet Betrachter*innen so etwas wie den Trigger zum dreidimensionalen Sehen. Die Zeichnungen sind ein Angebot, diesen Raum zu durchschreiten, ihn zu öffnen, ihn umzudenken und so aus der Box herauszutreten.

„Die Räume, die nicht einfach sind, bei denen nicht klar ist, wie die Betrachter*innen reagieren werden, das sind für mich die spannendsten.“
Anna-Maria Bogner

Sie entwerfen Ihre Arbeiten gezielt für den jeweiligen Ausstellungsraum. Wie gehen Sie dabei an einen Raum heran?
Ich schaue mir den Raum an, ich gehe durch den Raum, bin mit meinen eigenen Beschränkungen beschäftigt. Was passt mir alles nicht? Ich versuche das, was da ist, anzunehmen und meine Arbeit darin einzupassen. Das ist wie ein kleines geistiges Schachspiel mit mir selber. Bei den Räumen im Landesmuseum war es tatsächlich lange schwierig. Aber es ist auch immer gut, wenn es schwierig ist, weil dann zerlegt man das Problem. Die Räume, die nicht einfach sind, bei denen nicht klar ist, wie die Betrachter*innen reagieren werden, das sind für mich die spannendsten.

„Wie ein Musikstück hat auch eine Ausstellung ihren eigenen Rhythmus und der muss gut mit dem vorhandenen Raum abgestimmt werden.“
Anna-Maria Bogner

Was hat die Räume im Ferdinandeum so herausfordernd gemacht?
Der verschachtelte Aufbau, die Aufteilung der Ausstellung auf zwei Ebenen war natürlich etwas Besonderes. Sie schafft eine ganz eigene Atmosphäre. Werke und Raum beeinflussen sich gegenseitig und das will bedacht werden. Im Falle der Installation macht es einen Unterschied, ob ich in das Werk von oben nach unten eintauche oder ob ich die Treppe hinaufsteigend das Werk von einer tieferen Position begehe. Wie ein Musikstück hat auch eine Ausstellung ihren eigenen Rhythmus und der muss gut mit dem vorhandenen Raum abgestimmt werden.

Und was ist dabei herausgekommen? Was erlebt man, wenn man durch die Ausstellung geht?
Was man erlebt, kann ich nicht beantworten. Grundsätzlich bearbeiten alle gezeigten Werke das Thema Raum je auf ihre eigene Weise. Allerdings bieten Zeichnungen, Installation, Objekt und Fotografie natürlich unterschiedliche Zugänge. Die Werke sind so gehängt, dass sie mit den Ausstellungsräumen des Ferdinandeums eine wechselseitige Beziehung eingehen.

Wie setzen Sie Ihre Überlegungen rund um die Räume konkret in Installationen und Zeichnungen um?
Ich baue mir zunächst ein Modell der Räume, für die ich eine Ausstellung plane. Dafür brauche ich jedes Maß eines Raumes. In das Grundmodell setze ich dann Schachteln hinein, die ich auswechseln kann, damit ich nicht zu sehr in das Grundmodell eingreife. So kann ich intensiv mit den Räumen und meinen Arbeiten experimentieren. Erst wenn es für mich funktioniert, gehe ich vom Modell zur Originalgröße.


Was möchten Sie mit Ihren Arbeiten auslösen?
Wenn die Besucher*innen es schaffen, durch meine Arbeiten über ihre Idee von Raum und Raumvorstellung bewusst nachzudenken, sich austauschen oder von ihrem Erleben erzählen, dann sind schon ganz, ganz viele neue Räume entstanden. Dann geht es vielleicht sogar weg von einem materiellen Raumbegriff hin zu einer Idee von Raum, die auch soziale Elemente von Raum stärker mit einbezieht. Aber am Ende geht es mir um das Spiel zwischen den Betrachter*innen und meinen Arbeiten und ein gutes Spiel ist ergebnisoffen.

Autorin

Elisabeth Probst, MA

 
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