Wenn man Sie als kleines Kind gefragt hat: „Was möchtest du später einmal werden?“ Was haben Sie darauf geantwortet?
„Maler“ und ebenso wichtig „Baggerführer“.
Wie sind Sie dann zur Kunst gekommen?
Durch meinen früh verstorbenen Vater Heinz Gostner, der Kunstsammler und ein exzellenter Zeichner war, durch einige gute Lehrer und meinen Freundeskreis.
Ab Dezember 2021 beschäftigt sich die Ausstellung „werden“ im Ferdinandeum mit dem Künstler werden – angefangen bei Michelangelo bis in die Gegenwart. Es geht um Einflussgrößen, Wahrnehmungen und Entwicklungen. Worin unterscheiden sich die Künstler*innen von früher und heute?
Ich glaube als Künstler*innen an sich gar nicht. Jedoch in den Positionen die wir in den jeweiligen, unterschiedlichen Gesellschaften einnehmen und den damit sich ändernden Aufgaben und Thematiken. Zum Beispiel bewegten sich in die Renaissance-Künstler*innen überwiegend in einem exklusiven Dialog mit Klerus und Feudalherren. Heute ist Kunst Teil einer breitgefächerten Freizeitgesellschaft und Medienwelt geworden, mit der sich Künstler*innen auseinandersetzen müssen.
Welche Gemeinsamkeiten gibt es?
Die Suche nach künstlerischen Lösungen.
Wie haben sich die Rahmenbedingungen für das Künstler*in-Werden verändert?
In ein „Früher“ und „Heute“ zu teilen ist schwierig, denn auch frühere Bedingungen spielen weiterhin bis ins „Heute“ hinein. Mit wesentlich sind die Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen. Im Mittelalter waren es einerseits Aufträge durch Kirche und Adel, andererseits die Zünfte, die den darin aufgenommenen Künstler*innen über eine Art Gebietsschutz ein Auskommen ermöglichten. Mit Beginn der Neuzeit kamen dann die Mäzene aus dem Bürgertum hinzu und damit auch die Entwicklung von Kunstmärkten. Im 20. Jahrhundert entstanden zusätzlich demokratisierte, öffentliche Förderungen der Kunst und im 21 Jahrhundert nahm die globale Finanzwirtschaft Kunst als Investment in ihr Portfolio auf. Sehr lesenswert dazu ist Arnold Hausers Sozialgeschichte der Kunst und Literatur.
„Künstler*in“ ist kein Titel, den man de facto durch den Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums erlangt. Wie wird man denn „Künstler*in“?
Indem man beginnt. Und dann bereit ist, einen langen Weg zu gehen.
Im Fokus der Ausstellung stehen mit der Accademia delle Arti del Disegno in Florenz und der Kunstakademie Düsseldorf auch zwei bedeutende Ausbildungsinstitutionen für bildende Kunst. Welchen Einfluss haben Kunstakademien auf die Entwicklung der Künstler*innenschaft bzw. der Kunst von morgen?
Es gibt nur mehr sehr wenige gesellschaftliche Bereiche die Menschen einen wirtschaftlich unabhängigen Raum bieten. Aus solchen Freiräumen kamen aber schon immer wichtigste Impulse und Denkanstöße. Erinnern wir uns nur an Platons Hain des Akademos. Die Aufgabe der freien Kunstakademien ist einen solchen Raum zu bieten, in dem sich die Studierenden im Diskurs mit den Lehrenden in einem „entspannten Feld“ möglichst autonom entwickeln und eine differenzierte Weltsicht erarbeiten können.
Zugegeben, Michelangelos Fußstapfen sind schon recht groß. Kann jemals wieder ein*e Künstler*in zu solchem Weltruhm gelangen?
Ja, zum Beispiel Picasso.
Welche drei Eigenschaften braucht jemand Ihrer Meinung nach, um heute Künstler*innenstatus zu erreichen und sich in der Welt der Kunst behaupten zu können?
Dazu darf ich Albert Einstein zitieren, der einmal auf die Frage, was Erfolg ausmache, antwortete: „Arbeit, Spiel und Maul halten.“
Wie schafft man es, sich als Künstler*in weiterzuentwickeln und trotzdem dem persönlichen Stil treu zu bleiben?
Um den persönlichen Stil braucht man sich nicht zu sorgen. Er ist so wie die eigene Handschrift. Unverwechselbar und eigentlich unentrinnbar. Deshalb kann man ihn in welcher Entwicklung auch immer niemals verlieren. Allgemeine Kunststile als verbindliche, formale Übereinkommen sind hingegen seit Anbruch der Postmoderne in unserer Ära eines demokratischen Individualismus ein Widerspruch, und daher derzeit obsolet.
Mit der Website „Looking Ahead“ wagt die Ausstellung auch einen Blick in die Zukunft. Können Sie einen Ausblick geben, worauf sich die Fans zeitgenössischer Kunst und Museumsbesucher*innen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten freuen dürfen?
Freuen wir uns darauf, dass es ganz anders kommen wird als wir es erwarten.
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn die Ausstellung „werden“ ab 3. Dezember im Ferdinandeum zu sehen ist?
Wenn die Besucher*innen mit unserer Arbeit zufrieden sein können.