Jubiläumsjahr 2023 – 200 Jahre Museumsgeschichte Ferdinandeum: Teil 5
Das Ferdinandeum in der NS-Zeit. Die Bergung und Rettung seiner Museumsbestände.
In den Kriegsjahren 1942 bis 1944 wurde der größte Teil der Museumsbestände aus dem bombengeplagten Innsbruck auf Burgen, Schlösser und Stifte in ganz Tirol verteilt. Nach Ried im Oberinntal bis Niederbreitenbach bei Kufstein, im Süden bis nach Trins im Gschnitztal wurden die Museumsschätze verbracht und so vor ihrer Zerstörung bewahrt.
Diese neue Reihe im Jubiläumsjahr 2023 zeigt ein wichtiges Kapitel der Museumsarbeit in einer herausfordernden Zeit auf und stellt die einzelnen Bergungsorte in Tirol vor.
Sogar bis Ried im Oberinntal wurde Museumsgut ausgelagert. Heute besuchen wir zum Ende unserer Reihe noch zwei Orte: St. Martin bei Schwaz und das Stift Stams.
St. Martin in Schwaz
Seit 1825 befindet sich das im 16. Jahrhundert errichtete Kloster St. Martin im Besitz des Landes Tirol, das dort ein Landeszwangsarbeitshaus und von 1855 bis 1928 eine Straf- und Besserungsanstalt für Frauen betrieb. Nach einer Sanierung diente das Gebäude ab 1931 als Landeserziehungsheim für Mädchen und junge Frauen. Im Nationalsozialismus wurde das geistliche Personal vom Orden der Barmherzigen Schwestern entlassen und die Anstalt als Gauerziehungsheim weitergeführt. Ende 1941 begann man unter anderem mit Umbauarbeiten im Untergeschoss, um einen Luftschutzkeller zu errichten. In ein Gewölbe des ehemaligen Klosters und nunmehrigen Erziehungsheims St. Martin in Schwaz wurden ab 1944 vor allem Bibliotheksbestände – die Zeitschriftensammlung, Teile der Fachbibliothek, der Wieser-Bibliothek und der Handbibliothek – sowie Objekte der Graphischen Sammlungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum ausgelagert. Gleichzeitig wurde auf Veranlassung von Gauleiter Franz Hofer die Übersiedlung der Erziehungsanstalt nach Rotholz projektiert, um das Gebäude der Rüstungsindustrie zur Verfügung stellen zu können. Zu dieser Verlegung kam es aber nicht; der Heimbetrieb blieb aufrecht. Die Rückbringung des Bergungsgutes erfolgte – mit Ausnahme der Bibliotheksbestände, die erst 1946 ins Museum zurückkehrten – bis Ende 1945. Heute befindet sich ein sozialpädagogisches Zentrum in St. Martin.
Stift Stams
Die Gründung des Zisterzienserklosters Stams im Tiroler Oberland erfolgte 1273 durch Graf Meinhard II. von Görz-Tirol und seine Frau Elisabeth von Bayern als Grabstätte der Tiroler Landesfürsten. Die Barock- und Rokokoausstattung des Klosters stammt aus der Zeit zwischen 1650 und 1750. Während der bayerischen Besatzungszeit wurde das Stift 1807 aufgehoben und erst 1816 nach der Rückgabe Tirols an Österreich unter Kaiser Franz I. wieder als Kloster in Betrieb genommen. Die nationalsozialistischen Machthaber beschlagnahmten das Stift 1938 und hoben es im Jahr darauf auf. Bedeutende Bestände des Klosters, darunter Münzen, Exlibris, Musikalien, Musikinstrumente und Handschriften, wurden in den Jahren 1941 bis 1943 den Sammlungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum einverleibt und verblieben dort bis Kriegsende.
Die wertvollsten Bestände des Ferdinandeums wiederum wurden Ende 1942 nach Schloss Ambras verbracht. Im März 1944 erging die Anordnung des Reichsstatthalters von Tirol und Vorarlberg zur Räumung des Schlosses binnen drei Tagen, nachdem aufgrund der neu errichteten Umfahrungslinie der Brennereisenbahn, die knapp am nahe gelegenen Dorf Amras vorbeiführte, die Bombardierungsgefahr zu hoch geworden war. Zur Umbergung wählte man vor allem das Kloster Stams und dessen Stiftskirche aus. Auch ein kleiner Teil des Bestandes des Tiroler Volkskunstmuseums wurde hier gelagert. Die Klosterräumlichkeiten beherbergten außerdem UmsiedlerInnen aus Südtirol („Optanten“) und gegen Ende des Krieges Flüchtlinge. Nach Kriegsende 1945 kehrten die Zisterziensermönche in das Gebäude zurück.
Laut einem Bericht des Leiters des Tiroler Volkskunstmuseums Karl Moeser und des Aufsehers des Ferdinandeums Franz Staud fand am 3. Mai 1945 ein Einbruch in das Depot in Stams statt, bei dem verschiedene Kisten geöffnet wurden. Die Plünderungen richteten aber keinen großen Schaden an den Museumsobjekten an, es waren nur wenige Objekte aus den Beständen des Tiroler Volkskunstmuseums (Bücher und einzelne Möbelstücke) gestohlen worden. Im Sommer 1945 erfolgte die Rückführung der geborgenen Museumsgüter in die Museen nach Innsbruck.
Ein großer Teil der Museumssammlungen konnte durch das Engagement der vorwiegend weiblichen Museumsangestellten bewahrt werden, denn ein Fliegerangriff auf Innsbruck am 10. April 1945 beschädigte das Ferdinandeum schwer.
Jubiläumsjahr 2023 – 200 Jahre Museumsgeschichte Ferdinandeum: Teil 3
Jubiläumsjahr 2023 – 200 Jahre Museumsgeschichte Ferdinandeum: Teil 4
Ferdinandeum
Autor*in
Dr.in Sonia Buchroithner
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