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10.3.2022
4 min
Dr. Ralf Bormann

Passepartoutnotizen II

Mit der zweiten Ausgabe der „Passepartoutnotizen“ präsentiert die grafische Sammlung erneut unbekannte italienische Zeichnungen aus eigenem Bestand in den Grafik-Kabinetten des Ferdinandeums.

Königliches Spiel

Ein Gesandter des Papstes Urban VIII. am englischen Königshof berichtet von einem Gesellschaftsspiel, das König Jakob I. (reg. 1603 – 1625) dort abgehalten hat. Der König lud dazu Angehörige der Elite des Reiches in seine Gemäldegalerie, um vor den dort ausgestellten Werken gelehrte Gespräche über die daran vorgenommenen Künstlerzuschreibungen zu führen.

Eine Einladung zu diesem königlichen Spiel war naturgemäß sehr begehrt. Was die mit einer Einladung Geehrten freilich nicht wussten und erst nach ihrer Ankunft in der Galerie zu ihrem Entsetzen gewahrten, war, dass Jakob I. zuvor die Objektschilder mit den Künstlernamen von den Gemälderahmen hatte entfernen lassen. Die Teilnehmer an dem Spiel sahen sich nur mehr in einem aller schriftlichen Festlegungen entblößten Raum allein der Sprache der Kunst ausgesetzt. Anstelle angelesener Gelehrtheit war somit kennerschaftliches Einfühlungsvermögen von den Mitspielern gefragt. Der König konnte sich auf diese Weise ein Bild der freien Urteilskraft seiner Gäste machen.

Internationale Zusammenarbeit

Zu niemandes Unbehagen, aber unser aller Freude sind rund 30 internationale Kenner*innen unserer Einladung gefolgt, den weitgehend unerschlossenen Bestand italienischer Altmeister-Zeichnungen der Tiroler Landesmuseen zu sichten und mit ihren Künstlerzuschreibungen zu versehen. Die in dieser Sammlungspräsentation sowie einem diese begleitenden Katalog der Öffentlichkeit übergebenen Zuschreibungen beruhen in den meisten Fällen auf einer kennerschaftlichen Beurteilung des Stiles, in dem Zeichnungen ausgeführt sind.

Paolo Pagani, Verso: Krieger, Roter Stift auf Papier 

Herkunftsbestimmung

Die kunsthistorische Stilkritik untersucht die Merkmale dessen, was und wie Werke symbolisieren, sowie diejenigen – persönlichen wie überpersönlichen – Eigentümlichkeiten, die für einen bestimmten Künstler, eine Epoche, eine Kunstlandschaft oder Schule charakteristisch sind. Hierin liegt durchaus nicht nur ein vergnüglicher Zeitvertreib unter Gelehrten, dessen Ergebnisse für den ästhetischen Genuss der Werke manchem eher belanglos erscheinen mögen. Ganz im Gegenteil aber prägt unser Wissen über die Herkunft eines Werkes unhintergehbar die Weise, in der das Werk zu betrachten ist, und liefert der Suche danach, in welcher nicht offenkundigen Weise das Werk von anderen Werken abweicht oder ihnen ähnlich ist, eine feste Grundlage.

Zuschreibungen tragen somit entscheidend zum Verständnis von Kunstwerken bei. Die hier nun erstmals vorgestellten Zuschreibungen rücken zudem die in den Tiroler Landesmuseen jahrhundertelang unerkannt bewahrten Werke endlich wieder in den weltweit zerstreuten Bestand verwandter Zeichnungen und der nach ihnen ausgeführten Gemälde ein.

Diskussion

In den Ausstellungsräumen finden sich auf den Täfelchen zu den einzelnen Zeichnungen zuoberst und in gewohnter Weise die Zuschreibungen notiert, unter denen die Werke traditionell seit Anbeginn in unserem Hause geführt wurden. Darunter haben wir die aus aller Welt, der Pandemie halber ganz überwiegend digital eingegangenen Passepartoutnotizen aufgeführt. So können unsere Besucher*innen die verschiedenen, oft auch widerstreitenden Zuschreibungen der internationalen Fachkollegenschaft nachverfolgen und erhalten auf diese Weise einen exklusiven Einblick in die Praxis kennerschaftlicher Urteilsbildung. Der Besuch unserer Grafischen Kabinette erlaubt den Besucher*innen dadurch die unverstellte Teilnahme an den kreisenden Suchbewegungen um das nur unzureichend wortsprachlich mitteilbare Unbekannte, namentlich um die in der Sprache der Kunst zum Ausdruck gelangende Urheberschaft derjenigen Werke, die wir zu den faszinierendsten unseres Kunstschatzes zählen dürfen.

Autor*in

Dr. Ralf Bormann

 
Ralf Bormann, Leiter der Grafischen Sammlung
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