Wie eine „Übersicht“ zu einem kuratorischen Konzept werden kann
Die Arbeiten von Gerhard Richter, der im Februar dieses Jahres 90 Jahre alt geworden ist, können in der Ausstellung „werden“ repräsentativ zeigen, wie das Kurator*innenteam der Kunstakademie Düsseldorf seine Auswahl von Künstlerinnen und Künstlern mit ihren Werken für die Ausstellung getroffen hat.
Übersicht (1998)
Gerhard Richters Arbeit „Übersicht“ von 1998, die in der Ausstellung gezeigt wird, listet als kulturhistorisches Who’s Who die Namen von Künstlern, Architekten, Philosophen, Komponisten und Schriftstellern auf. Im übertragenen Sinne kann diese „Übersicht“ wie die handschriftliche Devise von Pablo Picasso auf einer seiner Zeichnungen gelesen werden: „Ich habe die Tradition durchquert, wie ein guter Schwimmer einen Fluss, in dem die Mitglieder der Akademie alle ertrunken sind“, die ursprünglich eine Feststellung von Gustave Courbet war. Die „Übersicht“ von Gerhard Richter als subjektive Auswahl von Namen aus der Kulturgeschichte spielt auch auf die von André Malraux in seinem Buch „Le Musée imaginaire“ formulierte These an, nach der ein modernes Kunstwerk eine Fülle älterer Werke in sich wiedererstehen lasse. Gerhard Richters „Übersicht“ zeigt als modernes Kunstwerk einen repräsentativen Querschnitt von künstlerischen Vorbildern als Inspirationsquelle, die jede Künstlerin und jeder Künstler als kreative Rezeption in seiner Bildsprache assimilieren und für sein „KunstwerkWerden“ motivisch, stilistisch und thematisch für sein eigenes Œuvre nutzen kann.
Firenze (17/99 & 62/99)
Die beiden ebenfalls ausgestellten Arbeiten „Firenze“ von Gerhard Richter, die aus der Sammlung Viehof stammen, können als besonders aussagekräftige Beispiele bei der Auswahl für die gemeinsame Ausstellung gesehen werden; denn sie zeigen als Metapher die Ponte Vecchio als die visuelle Verbindung der beiden Akademien in der Dialektik der Vergangenheit und Gegenwart. Wie die Ponte Vecchio die beiden Ufer der Stadt Florenz miteinander verbindet, bilden die Arbeiten von Gerhard Richter metaphorisch gesehen die Brücke zwischen L‘Accademia delle Arti del Disegno di Firenze und der Kunstakademie Düsseldorf. Als Hommage an die Stadt am Arno entstand ab dem Jahr 2000 eine Serie übermalter Fotografien mit dem Titel „Firenze“, die auch die Ponte Vecchio abbilden und von der zwei Varianten in der Ausstellung „werden“ präsentiert sind.
Die vorliegenden Arbeiten bilden sozusagen sowohl den Ausgangspunkt als auch die Brücke zwischen den beiden Akademien. Im Einklang mit dieser Idee sind die Werke der Künstlerinnen und Künstler in der Ausstellung „werden“ im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum vereint.
Michelangelos „Kruzifix“ in der Ausstellung „werden“
Die Accademia delle Arti del Disegno in Florenz
Ist jeder Mensch Künstler*in?
Wie eine „Übersicht“ zu einem kuratorischen Konzept werden kann
Autor*in
Vanessa Sondermann
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